Liebhaber von Spargeln werden jedes Jahr schwer geprüft. Kaum lassen sich die ersten Schneeglöcklein blicken, locken in den Lebensmittelgeschäften bereits die ersten Spargeln. Wer es nicht lassen kann, wird meist enttäuscht. Ob die Spargeln nun aus Peru oder Mexiko eingeflogen werden: Im Mund hinterlassen sie meist zweifelhafte geschmackliche Eindrücke – eindeutig ist einzig der strenge Geruch, den sie auf der Toilette hinterlassen. Wenn die meisten Restaurants Spargeln bereits nicht mehr auf der Karte führen, wird es Zeit für die einheimischen. Diese liessen sich heuer sogar etwas länger als üblich Zeit. Im Zürcher Weinland, einem der grössten Anbaugebiete der Schweiz, konnten erst zum Monatswechsel die ersten Spargeln geerntet werden.
Der Spargel reagiere eben sehr empfindlich auf Kälte und Nässe, erklärt Jakob Baur von der «Trotte» in Berg am Irchel. Seit 1997 führt er den Familienbetrieb mit sympathischem Enthusiasmus und einer gesunden Mischung aus Tradition und vorsichtiger Innovation. Weitblickend hatten schon die Eltern Spargelanbau und Weinbau mit einer Gastwirtschaft verknüpft, in der die eigenen Produkte aufgetischt werden. Die Mutter kann sich sogar rühmen, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in England für Winston Churchill gekocht zu haben. Das Konzept der Vielseitigkeit hat sich laut Baur bewährt, zumal die Wirtschaft nur während der Spargelsaison von Mitte April bis Ende Juni sowie zur Jagdsaison ab September geöffnet ist. Man habe ja sonst schon genug zu tun, erklärt Baur lachend.
Von Hektik spürt man nichts in der gepflegten Bauernstube, in der die Tische mit feinem Tuch gedeckt sind. Und man wird von der Kellnerin aufmerksam umsorgt. Wie wärs zum Apéritif mit einem Haus-Cüpli (Fr. 8.50), das sich als eine reizvolle Mariage aus Schaumwein und Holundersirup entpuppt – beides stammt selbstverständlich aus eigener Produktion. Dies gilt auch für den Federweissen aus Blauburgunder Trauben (7 dl Fr. 30.-). Seine dezente Fruchtigkeit passt an diesem Tag besonders gut zu den noch relativ dünnen und doch butterzarten Bleichspargeln (Fr. 31.-), da diese zu Beginn der Saison geschmacklich noch sehr sanft sind. Die in zwei Gängen aufgetischten Spargeln schmecken ausgezeichnet, zumal auch die Beilagen überzeugen. Wahlweise gibt es Sauce Hollandaise, Mayonnaise oder eine Milanaise, bei der auf dem Rechaud servierte braune Butter und geriebener Käse gereicht wird. Unwiderstehlich dazu ist Rohschinken oder Beinschinken (beide, auch gemischt erhältlich, Fr. 11.-). Letzterer ist genau, wie er sein sollte, aber nur noch selten erhältlich ist: am Knochen gekocht und von Hand grob geschnitten mit viel Eigengeschmack. Der Schinken stammt nicht aus eigener Produktion, doch das scheint in dieser Wirtschaft die grosse Ausnahme zu sein.
Der Kachelofen steht denn auch nicht nur zur Dekoration in der Gaststube. Darin werden das auch zu den Spargeln gereichte Brot und die hübsch gebräunten Meringues (halbe Portion Fr. 5.50) gebacken. Diese werden mit herrlich dichtem Schlagrahm serviert, der mit dem üblicherweise aufgeschäumten nicht zu vergleichen ist. Es hätte gut und gerne eine ganze Portion sein dürfen, zumal Spargeln bekanntlich kaum Kalorien haben und anschliessend eine Wanderung durchs idyllische Tobel nach Flaach hinunter nicht fehlen darf. Also probieren wir noch das Cassis-Sorbet (Fr. 8.50), das vollfruchtig ist und mit einem nicht zu süssen Cassis-Likör reizvoll angereichert wird. Dieser stammt natürlich aus der hauseigenen Brennerei, in der seit gut 30 Jahren verschiedene Edelbrände hergestellt werden, die schon mehrfach ausgezeichnet wurden. Diese scheinen denn auch das Steckenpferd von Jakob Baur zu sein, hat er die Palette doch stetig erweitert. 30 verschiedene Sorten bietet er mittlerweile an, besonders gut gefällt uns der Löhrpflümli.